Die Wirtschaftsschutzkonferenz für den Norden war ein voller Erfolg. Beinahe auf den letzten Platz ausverkauft und vor großartiger Kulisse auf der Bremer Weserinsel Teerhof fand die erste Wirtschaftsschutzkonferenz Nord am 16.April in Bremen statt. Das Konferenzformat hat das Zeug zu einem neuen Nordverbund.

 Gemeinsam von den Verfassungsschutzbehörden Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie vom Sicherheitsverband Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland e.V. organisiert, fand eine rundum fesselnde  Konferenz, im Vorfeld der BfV-Konferenz in Berlin, statt. Fast 90 Teilnehmende hörten gespannt im Publikum zu und der Norden zeigte, was eine starke Gemeinschaft alles schaffen kann.

In seinem Grußwort bekannte sich Bremens Innensenator Ulrich Mäurer sehr erfreut, dass die Wirtschaft mit dem Verfassungsschutz umfangreich ins Gespräch kommt und „gemeinsam an einem Strang zieht“. Er mahnte aber auch, dass Spionageabwehr auch polizeiliche Themen beinhalten. Obwohl Cyberangriffe gegen die Wirtschaft massiv zunehmen, bringen weniger als 10 Prozent der Unternehmen diese Straftaten zur Anzeige.

Im ersten Vortrag von Thomas König vom Deutschen Industrie und Handelskammer Tag wurde erstaunlicherweise bekannt, dass für 46 Prozent der in China tätigen deutschen Unternehmen eine Chinastrategie kaum relevant ist. Dabei identifiziere die Chinastrategie strategische Abhängigkeiten und stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland. König plädierte dafür, dass Deutschland gegenüber China Stärke zeigen und sich als „Hardliner“ gegenüber Chinas Expansion darstellen sollte. Als Beispiel nannte König das Lieferkettensorgfaltsgesetz. Die chinesische Seite sagt dazu: „Nach chinesischem Recht gibt es dazu keine Probleme, entspannen Sie sich!“ Eine Rückverlagerung der deutschen Wirtschaftsbeziehungen nach Europa würde einen Rückgang von 9,86 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bedeuten, so König.

Der Konzernwirtschaftsschutzbeauftragte der Volkswagen AG, Andreas Ebert, sagte zu Beginn seines Vortrags: Auch der Wirtschaftsschutz in Deutschland erlebt derzeit eine „Zeitenwende“. Wirtschaftsschutz ist nämlich ein Eckpfeiler der gesamtstaatlichen „Sicherheitsvorsorge“. Ebert stellte die Eckpunkte einer nationalen Wirtschaftsschutzstrategie vor, wie sie im Februar 2024 vom Bundesinnenministerium mit der Wirtschaft geplant wurde und erläuterte dazu den Aktionsplan Wirtschaftsschutz 2024/2025. Sein Fazit: „Wirtschaftsschutz muss als Dachstrategie gegen alle Angriffsformen /-vektoren und in allen Dimensionen (physisch, cyber, materiell und immateriell) verstanden werden.“

Holger Berens vom Bundesverband für den Schutz kritischer Infrastrukturen (BSKI) stellte dem Auditorium die umfangreichen Bestimmungen und Umsetzungsverfahren aus dem KRITIS-Dachgesetz sowie der NIS2-Richtline vor. Sein Fazit: Die zentralen Betreiberpflichten der KRITIS-Unternehmen zu Risikoanalysen und Risikobewertungen, Resilienz Maßnahmen, Nachweispflichten und für das Melde- und Anzeigewesen treten am 17. Juli 2026 in Kraft. Viel Zeit für die umfangreichen Vorbereitungen in den Unternehmen verbleibt nicht mehr.

Zwei Vertreterinnen des Bundesamtes für den Verfassungsschutz (BfV) informierten detailliert mit welchen Methoden und Zielrichtungen Wirtschaftsspionage aus China, Vietnam und Russland gegen die deutsche Wirtschaft verübt wird. „“Wir sehen zunehmend Versuche der Einflussnahme mit illegitimen Mitteln auf Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“.  Aber auch klassische Spionage, Cyberangriffe, wirtschaftliche Abhängigkeiten schaffen, Technologie absaugen – das BfV beobachtet verschiedene Methoden chinesischer Geheimdienste. Hervorzuhebend ist hier eine „Ocean Lotus Spionagegruppe“ im Bereich Social Engineering.

Der Vize-Chef des BfV, Sinan Selen, bestätigte vor wenigen Tagen: „Die chinesische Führung sei auf dem Weg zu ihrem langfristigen Ziel, der „Weltführerschaft“, unter anderem stark interessiert an Know-how zu Robotik, Luft- und Raumfahrt und Automatisierung. Der BfV-Vize erklärte, Abschottung sei keine Lösung. Notwendig sei es vielmehr, Risiken zu erkennen. Es gehe darum, Abhängigkeiten – insbesondere in Schlüsseltechnologien – zu reduzieren und robuste Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen.

Beide Behördenvertreterinnen appellierten an die Unternehmensvertreter bei Verdachtsmomenten ihr jeweiliges Landesamt für Verfassungsschutz zu kontaktieren. Die aufklärende Beratung der Ämter ist eine große Hilfe zur Orientierung, wie an einigen Beispielfällen gezeigt wurde.

Qualitätsmerkmal einer Konferenz ist es, wenn beim abschließenden Speaker die meisten Plätze noch besetzt sind. Dies war bei Oliver Fein vom Unternehmen ESG so. Und er belohnte die Besucher mit einem fulminanten Vortrag zum Thema „Wie schützt sich ein modernes Rüstungsunternehmen vor Bedrohungen von innen und außen?“

Zu Beginn nannte er zwei Schlussfolgerungen:

  • Trotz „Zeitenwende“ und wesentlich verschärfter Sicherheitslage (neuer kalter Krieg) zieht sich der Staat auch weiterhin zurück und gibt zunehmend die Verantwortung an die Unternehmen ab.
  • Wenn man will, dass etwas getan wird, muss man es selbst tun.

Für sein Unternehmen ist das Behördenmanagement von großer Bedeutung. Es geht nur miteinander, nicht gegeneinander oder aneinander vorbei.

Eine offensive Herangehensweise zum Aufbau von Partnerschaften ist unerlässlich, um Unterstützung von der Behördenseite zu erhalten.

Der Wunsch vieler Teilnehmer nach einer Fortsetzung der Konferenz im kommenden Jahr wurde von den Organisatoren wohlwollend wahrgenommen.

Pressemitteilung Bremen Wirtschaftsschutzkonferenz

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