Sicherheitswirtschaft in Norddeutschland fordert mehr Investitionen in Resilienz in der Gesellschaft, Wirtschaft und Verteidigung. Mehr als 120 Teilnehmende erlebten einen Paradigmenwechsel zur Krisenbewältigung. Zwischenfazit: Auch die Wirtschaft muss das Thema Landesverteidigung in den Fokus zu nehmen.

Der 8. Norddeutsche Sicherheitstag fand am 12.12.2023 in Hamburg-Finkenwerder in den Räumen des Zentrums für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) statt und war mit über 120 Teilnehmenden nahezu ausgebucht. Der Einladung der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland e.V. (ASW Nord) zum Thema „Sicherheit: Eine multidi-mensionale Perspektive“ folgte auffällig die jüngere Generation von Sicherheitsexperten aus zahlreichen Unternehmen.
Nach den Grußworten von Roland Gerhards (CEO-ZAL) sowie von Thorsten Neumann (Vorstandsvorsitzender ASW Nord), schloss der stellv. Polizeipräsident Hamburg, Mirko Streiber, mit einem kurzen Lagebild der Hamburger Polizei die Eröffnung ab. Er appellier-te an die Zusammenarbeit aller Beteiligten für die innere Sicherheit und nannte das Bei-spiel „Netzwerk Standortsicherheit“ in der Hansestadt. Streiber bezeichnete als heraus-ragendes Beispiel die erfolgreich beendete Geisellage am Airport Hamburg Anfang No-vember. Gute Alarmpläne und die professionelle Zusammenarbeit von Wirtschaft und Polizei haben gezeigt, dass alle Beteiligten vorrausschauend planen und zusammenarbei-ten müssen.

Gleich zu Beginn seines Vortrags stellte der Brigadegeneral der Luftwaffe, Tilo Maedler, klar: „Wenn wir Landesverteidigung verstehen wollen, dann müssen alle Funktionsträger, die das Land am Laufen halten, zusammengebracht werden.“ Deutschland muss sich aufgrund der Weltlage der Möglichkeit eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls be-wusst werden. Dazu gehöre auch die Wirtschaft, die für zukünftige Planungen ihre Rolle bedenken und planen sollte. Maedler zog als Fazit: „Wir brauchen eine gesamtstaatliche Resilienz, wie sie jüngst die Innenministerkonferenz erkannt habe.“
Diese Impulse griff Thorsten Neumann auf und empfahl in seinem Vortrag proaktive A-warenessmaßnahmen hinsichtlich des Schutzes der Industrie sowie eine frühzeitige Be-nennung von Problemen in Unternehmen. Von großer Bedeutung ist die Schaffung eines Risikobewusstseins in der Bevölkerung, wie sie vor Jahrzehnten der Fernsehbeitrag „Der 7. Sinn“ zur Erhöhung der Verkehrssicherheit schaffte.
Der Generalmajor des Heeres a.D., Axel Binder, vertiefte in seinem Vortag die Resilienz- maßnahmen der nationalen Sicherheitsstrategie: Die Wehrhaftigkeit unserer Gesell-schaft drückt sich in einer Gesamtstrategie zur Aufrechterhaltung von Freiheit, Wohl-stand und Prosperität aus. Cyberkriege des 21. Jahrhundert führen durch Spionage, Zersetzung und Desinformation zum Verlust der Bindung an einen moralischen Mindest-standard.
Dr. Konstantinos Tsetsos, in seiner Eigenschaft als Leiter des Metis Institut und Managing Direktor von Sicyon Risk, baute in seinem Vortrag eine geschichtliche Brücke der Kriegs-führung von der Antike bis in die Neuzeit. Globale Umwälzungen finden ca. alle 100 bis 125 Jahre statt. Er traf den Nerv der Teilnehmenden, indem er feststellte, dass wir neben einem Bewegungskrieg in der 5. Generation der nicht-kinetischen Kriegsführung sind. Massenhafte Cyberangriffe, Unterwanderung, Verbreitung von Fake News und Desin-formation führen zu einem maximalen Attributionsproblem (Verzerrung von Verhalten und Meinungen der Menschen).

Ein Beispiel: Hacker, die mit der chinesischen Volksbefreiungsarmee sowie dem Militär in Russland in Verbindung stehen, haben sich im vergangenen Jahr in die Computersys-teme von etwa zwei Dutzend kritischen Einrichtungen (KRITIS) eingegraben. Die Eindring-linge sind Teil einer umfassenderen Bemühung, Wege zu finden, um Panik und Chaos zu säen oder die Logistik im Falle eines Konflikts zwischen den USA und China im Pazifik zu stören.
Tsetsos zeigte ein düsteres Bild von der Zukunft der 6. Generation der Kriegsführung auf: Space-Time, Angriffe aus dem Weltall, totaler Verlust der Kontrolle der Realität bei uns Menschen. Demokratische Gesellschaften verlieren die Kraft, autoritäre und autokrati-sche Systeme bis hin zu Diktaturen werden die Regel. Unser Geschäftsführer Markus Wagemann fasste den Vortrag von Dr. Tsetsos pointiert zusammen: „Kosta, ich mag Dich, aber nach Deinen Vorträgen ist die Stimmung getrübt.“
In der folgenden Podiumsdiskussion mit Dr. Konstantinos Tsetsos, Andreas Ebert, Briga-degeneral Maedler, Prof. Dr. Jürgen Harrer, Julia Finke, General a.D. Binder, Manuel Bohé und Uwe Roeninger wurden die Fragen „Wie stellt sich die Unternehmenssicherheit zukünftig auf“ und „Maßnahmen zur Cyberabwehr“ diskutiert. Eine besondere Rolle nahm das Thema Künstliche Intelligenz ein, allen voran, da die Wortbeiträge live als Fra-gen an den Chat GPT gestellt worden. Das aktuelle KRITIS-Dachgesetz wurde unter Be-trachtung des Leitthemas der Tagung angesprochen. Dabei stellten die Diskutanten fest, dass durch dieses Gesetz viele Chancen zur Resilienz der Wirtschaft vertan werden und ein großer Nachsteuerungsbedarf besteht.
In diesem Jahr unterstützte der ASW Nord zudem mit den Sponsoren des Sicherheitstag-tages die Charity Aktion „Kicken mit Herz“. So konnte ein Scheck im Wert von 2.500 € für die Kinderherzstation des UKE Hamburg überreicht werden. Wir danken unseren Mit-gliedern und den Sponsoren Secontec, DextraData, mybreev, Ankura, Crowdstrike, ProSi-cherheit sowie der Powergruppe.

In dieser Deutlichkeit hat noch kein norddeutscher Sicherheitstag die zukünftigen Sicher-heitsstrategien für unser Land aufgezeigt. Die Konferenz schloss mit dem „Budenzauber Hamburger Art“, einem ASW-Weihnachtsmarkt auf dem Gelände der ZAL. Dort wurde al-len Teilnehmern die Wichtigkeit von Frieden wieder deutlich.

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